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Kirchliches Erprobungsgesetz zum gemeindlichen und übergemeindlichen Zusammenwirken in Kooperationsräumen
(Erprobungsgesetz Kooperationsräume – ErpG-KoR)

Vom 29. April 2022 (GVBl. Teil I, Nr. 43, S. 104)

Die Landessynode hat gemäß Artikel 62 Abs. 1 der Grundordnung vom 28. April 2007 (GVBl. S. 81), zuletzt geändert am 28. Oktober 2021 (GVBl. 2022, Teil I, Nr. 7, S. 21) mit verfassungsändernder Mehrheit das folgende kirchliche Gesetz beschlossen:
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§ 1
Grundsatz der Zusammenarbeit der Kirchengemeinden

( 1 ) Dieses Erprobungsgesetz regelt die Zusammenarbeit von Kirchengemeinden in Kooperationsräumen.
( 2 ) Zur strukturellen Umsetzung der Zusammenarbeit kommen folgende rechtliche Handlungsformen in Betracht:
  1. die Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden zu einer neuen Kirchengemeinde nach Artikel 24 GO;
  2. die Bildung eines Gemeindeverbandes nach Artikel 107 GO;
  3. die Einrichtung eines Vernetzungsraumes;
  4. die Vereinbarung einer überparochialen Zusammenarbeit nach § 4 Dienstgruppen-RVO.
Die Vereinbarung einer überparochialen Zusammenarbeit ist mit einer Erklärung zu verbinden, in welchem zeitlichen Horizont diese Zusammenarbeit in eine verbindliche Handlungsform nach Nummern 1 bis 3 überführt werden soll.
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§ 2
Kirchenbezirkliche Leitungsverantwortung

( 1 ) Der Bezirkskirchenrat legt nach Anhörung der Bezirkssynode für alle Gemeinden des Kirchenbezirkes den jeweiligen Kooperationsraum fest, in dem die betreffenden Gemeinden eine der in § 1 genannten Handlungsformen umsetzen. Die Gemeinden sind verpflichtet, sich an der Konzeption der Zusammenarbeit im Sinn von § 1 konstruktiv zu beteiligen.
( 2 ) Der Bezirkskirchenrat stellt im Zusammenwirken mit den Gemeinden die Präsenzen kirchlichen Handelns in den einzelnen Kooperationsräumen zusammenfassend dar. Hierbei sind insbesondere folgende Präsenzen zu berücksichtigen, soweit diese örtlich gegeben sind:
  1. besondere Gottesdienstformate,
  2. hervorgehobene Formen kirchenmusikalischer Angebote,
  3. Kindertageseinrichtungen und Familienzentren,
  4. Einrichtungen und Stellen der Seelsorge in besonderen Arbeitsfeldern,
  5. Einrichtungen kirchlicher oder verbandlicher Jugendarbeit,
  6. diakonische Einrichtungen,
  7. das Wirken in den Schulen im Bereich des Religionsunterrichts, der Schulseelsorge und bei weiteren Angeboten,
  8. kirchliche Träger von Bildungsarbeit mit Erwachsenen (Männer, Frauen, Familien u.a.),
  9. Personalgemeinden und andere besondere Gemeindeformen,
  10. Formate kirchlicher Präsenz im digitalen Raum,
  11. weitere Orte der Präsenz von Kirche im öffentlichen Raum sowie ökumenische und kommunale Einrichtungen, in denen die Kirche aktiv ist.
Die Kirchengemeinden binden diese Präsenzen im Rahmen ihrer Zusammenarbeit ein.
( 3 ) Kirchenbezirke können im Hinblick auf mögliche zukünftige Strukturveränderungen in Zielvereinbarungen diese beschreiben und festlegen, wie im Hinblick darauf mit den Verpflichtungen nach § 1 umzugehen ist. Die Gemeinden sowie die Bezirkssynoden sind anzuhören. Die Zielvereinbarung ist von den Bezirkskirchenräten der beteiligen Kirchenbezirke zu beschließen. Der Beschluss der Bezirkskirchenräte bedarf der vorherigen Zustimmung des Evangelischen Oberkirchenrates.
( 4 ) Mit der Beschlussfassung nach Absatz 3 treten je nach dem Inhalt der Erklärung folgende Wirkungen ein:
  1. die Kirchenbezirke können in ihren Strukturplanungen auch die Kirchengemeinden des anderen Kirchenbezirkes einbeziehen;
  2. Beschlussfassungen nach Absatz 1 sind von allen beteiligten Bezirkskirchenräten und Bezirkssynoden aufeinander abgestimmt zu treffen;
  3. die in § 1 Abs. 2 genannten Handlungsformen können auch von Gemeinden verschiedener Kirchenbezirke eingegangen werden.
( 5 ) Die Zusammenarbeit von Gemeinden über Kirchenbezirksgrenzen hinaus ist im Ausnahmefall nach Absätzen 3 und 4 auch möglich, wenn zukünftige Strukturveränderungen von Gemeinden oder Bezirken nicht geplant sind. In diesem Fall statuiert die Vereinbarung nach Absatz 3 eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Kirchenbezirken. Der Evangelische Oberkirchenrat kann Näheres durch Rechtsverordnung regeln.
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§ 3
Einrichtung und Regelung des Vernetzungsraums

( 1 ) Ein Vernetzungsraum wird durch Rechtsverordnung des Evangelischen Oberkirchenrates eingerichtet. Die Rechtsverordnung trifft die für den Vernetzungsraum geltenden Regelungen. Der Bezirkskirchenrat ist vorher anzuhören.
( 2 ) Vernetzungsräume sind Körperschaften des kirchlichen Rechts, in denen die beteiligten Kirchengemeinden zur Zusammenarbeit im Rahmen der Regelungen der Rechtsverordnung nach Absatz 1 verbunden sind.
( 3 ) Der Landeskirchenrat kann durch Rechtsverordnung nach Artikel 62 Abs. 1 Satz 2 GO zu den in § 4 genannten Gegenständen allgemeine Vorschriften erlassen, die für alle Vernetzungsräume anzuwenden sind. Für Vernetzungsräume, die zum Zeitpunkt des Erlasses einer solchen Rechtsverordnung bereits eingerichtet sind, können Übergangsregelungen getroffen werden.
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§ 4
Rechtliche Regelungen für Vernetzungsräume

( 1 ) Im Vernetzungsraum koordiniert ein Vernetzungsrat die Zusammenarbeit der Gemeinden, begleitet die Dienstgruppe und nimmt die Aufgaben wahr, die die Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 vorsieht. Der Vernetzungsrat bestimmt eine Person, die den Vorsitz führt und die die innerkirchliche rechtliche Vertretung des Vernetzungsraums übernimmt.
( 2 ) Der Vernetzungsraum als Körperschaft des kirchlichen Rechts wird einer Kirchengemeinde des Vernetzungsraums als Rechtsträger zugeordnet, die die im Außenverhältnis erforderlichen Rechtsgeschäfte im eigenen Namen vollzieht, die Verwaltungsgeschäfte führt und für die Abwicklung der finanziellen Verpflichtungen verantwortlich ist (verwaltende Kirchengemeinde). Die verwaltende Kirchengemeinde kann in ihrem Haushalt für diese Aufgabe einen gesonderten Haushaltstitel einrichten, gesonderte Konten einrichten und spezifische Rücklagen für diese Aufgabe bilden. Aufwendungen des Rechtsträgers für den Vernetzungsraum werden im Wege der Kostenteilung gemeinschaftlich von den beteiligten Kirchengemeinden getragen. Eine Umlage kann vorgesehen werden. Näheres regelt die Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1, die von vorstehenden Regelungen Abweichungen vorsehen kann.
( 3 ) Die Kosten der auf der Ebene des Vernetzungsraumes wahrgenommenen Aufgaben werden zwischen den beteiligen Gemeinden geteilt. Soweit kein anderer Verteilungsschlüssel vorgesehen wird, erfolgt die Verteilung der Kosten entsprechend dem Verhältnis des gemeindebezogenen Zuweisungsfaktors nach § 1 der Zuweisungsfaktorenverordnung.
( 4 ) In der Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 können insbesondere folgende weitere Regelungen getroffen werden:
  1. Die Übertragung von Aufgaben der Kirchengemeinderäte und Ältestenkreise der beteiligten Kirchengemeinden an den Vernetzungsrat zur eigenständigen Entscheidung. Aufgaben nach Artikel 27 Abs. 2 Nr. 1 und 10 GO können nicht übertragen werden.
  2. Die Zusammensetzung und Bildung des Vernetzungsrats. Soweit keine andere Regelung getroffen wird, ist § 32c LWG entsprechend anzuwenden.
  3. Die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben der Gemeindearbeit, insbesondere in den Bereichen
    1. der Konfirmanden-, Kinder- und Jugendarbeit,
    2. der Seelsorge und des Besuchsdienstes,
    3. der Zusammenarbeit bei Gottesdiensten und Kindergottesdiensten,
    4. die Zusammenarbeit im Bereich der Kirchenmusik,
    5. der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Veröffentlichung von Gemeindebriefen oder
    6. unbeschadet der Zuständigkeit des Verwaltungs- und Serviceamtes die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben.
  4. Die Bestimmung der Zuständigkeit eines Pfarramts zur Übernahme der Aufgaben der gesamten Pfarramtsverwaltung für mehrere oder alle Gemeinden des Vernetzungsraumes nach den Regelungen des Verwaltungs- und Serviceamtsgesetzes.
  5. die Einbindung der bestehenden weiteren Präsenzen kirchlichen Handelns innerhalb und im Umfeld des Vernetzungsraumes.
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§ 5
Stellen von Personen in landeskirchlicher Anstellung

( 1 ) Der Bezirkskirchenrat kann mit Zustimmung des Evangelischen Oberkirchenrats im Rahmen der kirchenbezirklichen Stellenplanung die Stellen landeskirchlicher Mitarbeitender, insbesondere der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Diakoninnen und Diakone einem Vernetzungsraum zuordnen. Die Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 kann bestimmen, in welchen im Leitungs- und Wahlgesetz genannten Gremien die betreffende Person mit welcher Rechtsstellung tätig ist.
( 2 ) Pfarrerinnen und Pfarrer werden im Fall des Absatzes 1 auf eine Stelle im Vernetzungsraum berufen. Die Stelle im Vernetzungsraum gilt, soweit nicht bei der Berufung ausdrücklich anderes bestimmt ist, im Hinblick auf anderweitige rechtliche Regelungen als Gemeindepfarrstelle.
( 3 ) Der Bezirkskirchenrat kann mit Zustimmung des Evangelischen Oberkirchenrates im Rahmen der kirchenbezirklichen Stellenplanung die in Absatz 1 genannten Stellen auch Gemeindeverbänden nach Artikel 107 GO zuordnen. In diesem Fall sind Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. Der Evangelische Oberkirchenrat regelt im Benehmen mit dem Verwaltungsrat des Gemeindeverbandes die in Absatz 2 Satz 3 genannten Fragestellungen.
( 4 ) Im Fall einer Zuordnung von Stellen nach den Absätzen 1 und 3 werden, soweit nicht vom Evangelischen Oberkirchenrat mit Zustimmung des Bezirkskirchenrats anderes vorgesehen wird, die bei Gemeindepfarrstellen dem Ältestenkreis zustehenden Rechte hinsichtlich der Dienstverhältnisse von dem zuständigen Organ des Vernetzungsraums oder des Gemeindeverbands wahrgenommen. Der Evangelische Oberkirchenrat legt mit Zustimmung des Bezirkskirchenrats fest, ob eine Dienstwohnungspflicht besteht und durch welche Gemeinde diese verwirklicht wird. Weiterhin wird vom Evangelischen Oberkirchenrat in entsprechender Anwendung des Religionsunterrichtsgesetzes ein Pflichtdeputat für den Religionsunterricht festgelegt, das sich in der Regel an der durchschnittlichen Gemeindegliederzahl der beteiligten Gemeinden orientiert; dabei soll die bisherige Gesamtsumme der den Gemeindepfarrstellen zugeordneten Religionsunterrichtsdeputate nicht unterschritten werden.
( 5 ) Die Berufung und Stellenbesetzung oder die Einsatzverfügung endet im Fall der Zuordnung nach den Absätzen 1 oder 3 mit Außerkrafttreten dieses Erprobungsgesetzes. Soweit es nicht zu einer Verstetigung der Möglichkeit des Einsatzes nach Absätzen 1 und 3 kommt, ist eine Übergangsregelung zu treffen oder die Person ist auf eine Gemeindepfarrstelle zu versetzen oder es ist ein gemeindlicher Einsatz zuzuweisen. Die Anliegen der Person sind in diesem Rahmen besonders zu berücksichtigen. Mit den betreffenden Personen können Verwaltungsvereinbarungen zur künftigen Handhabung getroffen werden.
( 6 ) Stellen, die nach den Absätzen 1 und 3 zugeordnet werden, sind im landeskirchlichen Haushaltsplan dem gemeindlichen Stellenpool zugeordnet.
( 7 ) Der Evangelische Oberkirchenrat kann durch Rechtsverordnung weitere Regelungen treffen und dabei auch von den vorstehenden Absätzen abweichen.
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§ 6
Dienstgruppe

Die in landeskirchlicher Anstellungsträgerschaft stehenden Personen, die in einem Vernetzungsraum oder einem Gemeindeverband eingesetzt sind oder deren Zuständigkeit sich zumindest teilweise auf einzelne oder alle Gemeinden des Kooperationsraums bezieht, bilden eine Dienstgruppe. Die Regelungen der Rechtsverordnung zur Zusammenarbeit in Dienstgruppen sind entsprechend anzuwenden. Kirchliche Amtshandlungen in den Gemeinden des Vernetzungsraumes oder Gemeindeverbandes bedürfen, wenn sie von einem Mitglied der Dienstgruppe wahrgenommen werden, keiner Dimissoriale. Die Mitglieder der Dienstgruppe regeln untereinander die Vertretung für die Aufgaben, die im Rahmen des Vernetzungsraumes wahrzunehmen sind, sowie für die Dienste, die auf der Ebene der beteiligten Gemeinden erfolgen.
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§ 7
Stadtkirchenbezirke

Der Landeskirchenrat kann durch Rechtsverordnung die Anwendung dieses Gesetzes für Stadtkirchenbezirke regeln, soweit dies aufgrund der Verhältnisse der Stadtkirchenbezirke erforderlich ist. Insbesondere kann vorgesehen werden, dass Kooperationsräume nach § 2 Abs. 1 thematisch eingerichtet werden.
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§ 8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Dieses kirchliche Gesetz tritt am 1. Mai 2022 in Kraft.
( 2 ) Es tritt gemäß Artikel 62 Abs. 1 Satz 2 GO zum 30. April 2028 außer Kraft.