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Geltungszeitraum von: 01.07.1989

Geltungszeitraum bis: 30.06.2022

Verordnung
über die Benutzung des kirchlichen Archivgutes
(Benutzungsverordnung – BenVO)

Vom 23. Mai 1989

(GVBl. S. 147)
Außer Kraft gesetzt § 4 ArchBiGebO vom 9. Augugst 2022 (GVBl. Teil I, Nr. 57, S. 135)

Der Evangelische Oberkirchenrat erläßt aufgrund von § 127 Abs. 2 Buchst. k der Grundordnung folgende Verordnung:
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§ 1
Geltungsbereich

Die Verordnung für die Benutzung des kirchlichen Archivgutes (Benutzungsverordnung) gilt für alle kirchlichen Dienststellen der Landeskirche, der Kirchengemeinden, der Kirchenbezirke und ihrer Verbände sowie der kirchlichen Stiftungen des öffentlichen Rechts, die kirchliches Archivgut verwalten (im folgenden »Archive« genannt). Sie gilt entsprechend auch für den Bereich des Diakonischen Werkes der Evangelischen Landeskirche in Baden und für andere rechtlich selbständige kirchliche Werke und Einrichtungen, soweit die zuständigen Organe die Übernahme beschließen.
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§ 2
Zulassung zur Benutzung

( 1 ) Das kirchliche Archivgut steht zur amtlichen und zur nichtamtlichen Benutzung zur Verfügung.
( 2 ) Für Dienststellen, die nicht zur evangelischen Kirche gehören, ist die amtliche Benutzung nur zulässig, wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist.
( 3 ) Die nichtamtliche Benutzung kann jedem gewährt werden, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, insbesondere ein kirchliches, wissenschaftliches, rechtliches oder familiengeschichtliches Interesse.
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§ 3
Benutzungsantrag

( 1 ) Die Benutzung von Archivgut ist schriftlich bei dem Archiv zu beantragen. Der Antrag muß Angaben zur Person des Benutzers und gegebenenfalls seines Auftraggebers, zum Forschungsgegenstand und Benutzungszweck sowie darüber enthalten, ob und wie die Forschungsergebnisse ausgewertet werden sollen.
( 2 ) Mit dem Antrag verpflichtet sich der Antragsteller, die Benutzungsverordnung einzuhalten.
( 3 ) Für jeden Forschungsgegenstand ist ein gesonderter schriftlicher Antrag zu stellen.
( 4 ) Wünscht ein Benutzer, andere Personen als Hilfskräfte oder Beauftragte zu seinen Arbeiten heranzuziehen, so ist von diesen jeweils ein besonderer Antrag zu stellen.
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§ 4
Benutzungserlaubnis

( 1 ) Über den Benutzungsantrag entscheidet der Leiter des Archivs. Die Benutzungserlaubnis kann mündlich oder schriftlich erteilt werden.
( 2 ) Die Benutzungserlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.
( 3 ) Die Benutzungserlaubnis begründet keinen Anspruch auf Einsicht in Findbücher, Findkarteien und andere Hilfsmittel zur Erschließung von Archivgut.
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§ 5
Benutzungsbeschränkungen

( 1 ) Die Benutzungserlaubnis ist zu versagen, wenn
  1. gesetzliche Bestimmungen, Verwaltungsvorschriften oder Anordnungen der abgegebenen Stellen entgegenstehen,
  2. das Archivgut Geheimhaltungsvorschriften unterliegt,
  3. für Deposita amtlicher oder Archivgut privater Herkunft entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sind.
( 2 ) Die Benutzungserlaubnis ist ferner zu versagen, wenn
  1. Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Benutzung das Wohl der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer ihrer Gliedkirchen oder deren Einrichtungen und Werke gefährdet wird,
  2. Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen,
  3. die begründete Vermutung besteht, daß der Antragsteller die Erklärung nicht einhalten will oder kann, die Urheber- und Persönlichkeitsrechte sowie den Schutz berechtigter Interessen Dritter zu beachten oder für die Verletzung dieser Rechte einzustehen,
  4. der Antragsteller nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt,
  5. das Archiv oder das gewünschte Archivgut nicht benutzbar oder durch die Benutzung gefährdet ist.
( 3 ) Die Benutzung von Archivgut ist in der Regel nicht zu gestatten, wenn
  1. Ermittlung und Aushebung einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand erfordern,
  2. der mit der Benutzung verfolgte Zweck durch die Einsichtnahme in Reproduktionen, Druckwerke oder andere Veröffentlichungen erreicht werden kann.
( 4 ) Bei Zweifeln ist die Entscheidung des zuständigen Landeskirchlichen Archivs einzuholen.
( 5 ) Wird die Benutzung erlaubt, ist schriftlich festzuhalten, welches Archivgut gegebenenfalls mit welchen Auflagen vorgelegt worden ist.
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§ 6
Widerruf der Benutzungserlaubnis

( 1 ) Die Benutzungserlaubnis kann widerrufen werden, wenn
  1. die Angaben im Benutzungsantrag nicht oder nicht mehr zutreffen,
  2. nachträglich Gründe bekannt werden, die zur Versagung geführt hätten,
  3. die Auflagen nicht erfüllt werden,
  4. der Benutzer gegen die Benutzungsverordnung verstößt.
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§ 7
Schutzfristen

( 1 ) Archivgut amtlicher Herkunft darf erst 30 Jahre nach seiner Entstehung benutzt werden. Besondere Bestimmungen können längere Schutzfristen vorsehen.
( 2 ) Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht, darf erst 30 Jahre nach dem Tode des Betroffenen durch Dritte benutzt werden. Ist das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 120 Jahre nach der Geburt des Betroffenen. Besondere Bestimmungen können längere Schutzfristen vorsehen.
( 3 ) Ausnahmen von den allgemeinen Schutzfristen können von der zuständigen Stelle gestattet werden.
( 4 ) Für Archivgut privater Herkunft gelten die besonderen Bestimmungen des Übernahmevertrages.
( 5 ) Archivgut im Sinne von Absatz 2 darf vor Ablauf der Schutzfrist ohne Einwilligung des Betroffenen oder seines Rechtsnachfolgers nur benutzt werden, wenn die Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur Wahrnehmung berechtigter persönlicher Belange erfolgt; es ist ferner erforderlich, daß das Archivgut in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt wird oder daß die schutzwürdigen Belange Betroffener durch andere Maßnahmen angemessen berücksichtigt werden.
( 6 ) Die Schutzfristen der Absätze 1 und 2 gelten nicht für solches Archivgut, das bereits bei seiner Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt war.
( 7 ) Findbehelfe für geschütztes Archivgut dürfen vor Ablauf der Schutzfristen nur mit Genehmigung des Archivleiters zur Benutzung vorgelegt werden.
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§ 8
Schutzbestimmungen

( 1 ) Die Erlaubnis zur Benutzung und Veröffentlichung von Archivgut, in dem schutzwürdige Belange Dritter berührt werden, kann von der Zustimmung des Betroffenen oder seines Rechtsnachfolgers abhängig gemacht werden, die der Benutzer beizubringen hat. Der Benutzer hat schriftlich zu erklären, daß er die Urheber- und Persönlichkeitsrechte sowie den Schutz berechtigter Interessen Dritter beachten wird und daß er für die Verletzung dieser Rechte und Interessen einsteht.
( 2 ) Dateien mit personenbezogenen Daten gelten als Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht. Die Vorschriften des kirchlichen Datenschutzgesetzes gelten auch für archivierte Dateien mit personenbezogenen Daten.
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§ 9
Benutzung von Kirchenbüchern

( 1 ) Kirchenbücher gelten als Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht.
( 2 ) Kirchenbücher nach dem Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes am 1. Januar 1876 oder einer entsprechenden landeskirchlichen Regelung sind nur zur Ermittlung der kirchlichen Amtshandlungen zu benutzen. Ausnahmen im Rahmen des Personenstandsrechtes sind möglich, wenn die entsprechenden standesamtlichen Unterlagen nachweislich vernichtet oder verschollen sind.
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§ 10
Belegexemplare

Der Benutzer ist verpflichtet, von Arbeiten, die unter wesentlicher Verwendung von Archivgut verfaßt worden sind, dem Archiv unverzüglich nach Fertigstellung ein Belegexemplar unaufgefordert und unentgeltlich zu überlassen. Ist der Anteil des benutzten Archivgutes am Gesamtwerk gering, so sind Veröffentlichungen unter Angabe des Titels, Verlages und Erscheinungsjahres oder der Zeitschrift dem Archiv anzuzeigen.
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§ 11
Gebühren und Auslagen

Gebühren und Auslagen für die Inanspruchnahme des Archivs werden nach der Gebührenordnung für die Benutzung kirchlicher Archive in der jeweils geltenden Fassung erhoben.
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§ 12
Benutzung im Archiv

( 1 ) Archivgut, Findbehelfe und Bücher dürfen nur in dem dazu bestimmten Raum zu festgelegter Zeit unter Aufsicht benutzt werden.
( 2 ) Sie sind sorgfältig und behutsam zu behandeln; alles, was ihren bestehenden Zustand verändert oder gefährdet, ist zu unterlassen. Entdeckt der Benutzer Schäden, Verluste, Unstimmigkeiten oder unrichtig eingefügte Schriftstücke, so hat er den Aufsichtsführenden sofort zu unterrichten.
( 3 ) Technische Hilfsmittel des Archivs stehen, soweit der Dienstbetrieb es zuläßt, dem Benutzer zur Verfügung. Ein Anspruch auf ihre Benutzung besteht nicht. Eigene technische Hilfsmittel darf der Benutzer nur mit Genehmigung des Archivs verwenden.
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§ 13
Benutzung fremden Archivgutes

Für die Bestimmung von Archivgut, das von anderen Archiven und Einrichtungen übersandt wird, gelten die gleichen Bestimmungen wie für archiveigenes Archivgut, sofern die übersendende Stelle nicht anderslautende Auflagen macht. Die Kosten der Versendung und anfallende Gebühren trägt der Benutzer.
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§ 14
Ausweispflicht

Antragsteller und Benutzer haben sich auf Verlangen jederzeit auszuweisen.
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§ 15
Schriftliche Auskünfte

( 1 ) Das Archiv erteilt Auskünfte auf schriftliche Anfragen. Bei der Anfrage sind Gegenstand und Zweck genau anzugeben.
( 2 ) Die schriftlichen Auskünfte des Archivs beschränken sich in der Regel auf Hinweise über Art, Umfang und Zustand des betreffenden Archivgutes.
( 3 ) Ein Anspruch auf Auskünfte, die eine beträchtliche Amtszeit erfordern, oder auf Beantwortung von wiederholten Anfragen innerhalb eines kürzeren Zeitraumes besteht nicht.
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§ 16
Benutzung nach Reproduktionen

( 1 ) Im Rahmen der Benutzung kann der Benutzer auf eigene Kosten Reproduktionen von uneingeschränkt für die Benutzung freigegebenem Archivgut im Rahmen der technischen und personellen Möglichkeiten des Archivs herstellen lassen. Das Archiv entscheidet, ob und nach welchem Verfahren Reproduktionen möglich sind. Der Benutzer darf Reproduktionen grundsätzlich nicht selber anfertigen.
( 2 ) Ein Anspruch auf Herstellung von Reproduktionen besteht nicht. Insbesondere hat der Benutzer keinen Anspruch, daß größere Aufträge zu Lasten anderer Benutzer oder des Dienstbetriebes durchgeführt werden.
( 3 ) In der Regel werden nur Teile von Archivalieneinheiten reproduziert. Reproduktionen ganzer Archivalieneinheiten werden grundsätzlich nicht herausgegeben.
( 4 ) Die ausgehändigten Reproduktionen dürfen nur mit Zustimmung des Archivs veröffentlicht, dupliziert oder an Dritte weitergegeben werden. Bei Veröffentlichung und Vervielfältigung sind stets das Archiv und die Archivsignatur des Originals anzugeben.
( 5 ) Die Weiterverwendung der Reproduktionen für ein anderes Forschungsvorhaben als das beantragte bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Archivs.
( 6 ) Reproduktionen von Findbehelfen zu uneingeschränkt zugänglichen Archivalien werden nur abgegeben, wenn die Archivalien abschließend geordnet und verzeichnet sind.
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§ 17
Versand von Archivgut

( 1 ) Zur nichtamtlichen Benutzung darf Archivgut nur in begründeten Ausnahmefällen und nur an hauptamtlich verwaltete auswärtige Archive versandt werden. Die Versendung an andere Einrichtungen ist nicht zulässig, es sei denn zur amtlichen Benutzung.
( 2 ) Die Benutzung des versandten Archivgutes richtet sich nach den Vorschriften dieser Benutzungsverordnung.
( 3 ) Von der Versendung ausgeschlossen sind Findbehelfe und Archivgut, das
  1. Benutzungsbeschränkungen unterliegt,
  2. wegen seines hohen Wertes, seines Ordnungs- und Erhaltungszustandes, seines Formates oder aus anderen konservatorischen oder Sicherheitsgründen nicht zur Verwendung geeignet ist,
  3. häufig benutzt wird,
  4. noch nicht abschließend verzeichnet ist.
( 4 ) Die Herstellung von Reproduktionen aus versandtem Archivgut bedarf der Genehmigung des versendenden Archivs.
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§ 18
Ausleihe von Archivgut

Zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere für Ausstellungen, kann Archivgut unter bestimmten Bedingungen und Auflagen ausgeliehen werden. Über die Ausleihe ist zwischen dem Leihgeber und dem Entleiher ein Leihvertrag abzuschließen, der der Genehmigung durch das Landeskirchliche Archiv bedarf.
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§ 19
Durchführungsbestimmungen

Das Nähere wird in den Durchführungsbestimmungen geregelt.
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§ 20
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Juli 1989 in Kraft.