Rechtsstand: 01.01.2021

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Artikel 20

Ein Ältestenkreis kann auf Antrag des Bezirkskirchenrates durch den Evangelischen Oberkirchenrat aufgelöst werden, wenn dies bei Streitigkeiten erforderlich ist, um die Pfarrgemeinde vor ernstem Schaden zu bewahren. Vor einer Auflösung des Ältestenkreises hat der Bezirkskirchenrat zu versuchen, die bestehenden Streitigkeiten zu schlichten. Der Evangelische Oberkirchenrat gibt vor dem Beschluss zur Auflösung des Ältestenkreises der Gemeindeversammlung die Möglichkeit zur Stellungnahme und hört den Ältestenkreis an. Gegen den Beschluss kann jedes Mitglied des Ältestenkreises gemäß Artikel 112 Beschwerde einlegen.
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Die Möglichkeit, einen Ältestenkreis aufzulösen, war dem Evangelischen Oberkirchenart bereits früher in § 24 GO eingeräumt. Gestrichen worden ist der Satz, nach dem eine Neuwahl innerhalb von zwei Monaten anzuordnen war.1# Eine solche Bestimmung ist nicht praktikabel. Gerade in Konfliktfällen kann es hilfreich sein, Neuwahlen nicht zu früh anzusetzen. Die Bestimmung ist im Übrigen dadurch entbehrlich geworden, dass der Bezirkskirchenrat jetzt bis zur Neuwahl Bevollmächtigte bestellen muss,2# sodass keine längere Vakanzzeit entstehen kann. Artikel 105 GO gilt in diesen Fällen nicht.3#
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Die Auflösung eines Ältestenkreises ist immer nur die »Ultima Ratio«, zu der in der Praxis nur sehr selten gegriffen wird. 20134# ist das einzuhaltende Verfahren bei der Auflösung eines Ältestenkreises in der Grundordnung näher ausgestaltet worden.5# Bis dahin war in Art. 20 lediglich vorgeschrieben, dass der Evangelische Oberkirchenrat zuvor die Gemeindeversammlung anhören soll. Ein Antrag des Bezirkskirchenrates war nicht erforderlich. Durch die Neufassung ist klargestellt, dass der Evangelische Oberkirchenrat weder gegen den Willen des Bezirkskirchenrates noch auf anderweitige Anregung hin – beispielsweise von unzufriedenen Gemeindegliedern – tätig werden kann. In jedem Fall müssen zunächst die Möglichkeiten zur Streitschlichtung ausgeschöpft werden, die nach Art. 43 Abs. 2 Nr. 12 GO zu den Aufgaben des Bezirkskirchenrats gehört.
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Die Verpflichtung des Evangelischen Oberkirchenrates, der Gemeindeversammlung vor dem Auflösungsbeschluss die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu geben, bedeutet nicht, dass eine mündliche Anhörung stattfinden muss. Da die Gemeindeversammlung nach § 22 Abs. 3 Satz 3 GO öffentlich tagt, müssen auf jeden Fall die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten gewahrt bleiben. Das kann dazu führen, dass in der Gemeindeversammlung nicht alle Aspekte des Konflikts offengelegt werden können.
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Die Regelung zum Rechtsschutz in Satz 4 ist erforderlich, weil Artikel 112 GO und die daran anknüpfenden §§ 18 bis 20 VWGG Verwaltungsstreitverfahren betreffen.6# Die Auflösung eines Ältestenkreises könnte aber auch als verfassungsrechtliches Organstreitverfahren eingeordnet werden. Im Falle eines Organstreitverfahrens wäre aber ausschließlich der Ältestenkreis in seiner Gesamtheit als Organ klagebefugt. Das würde die Rechtsschutzmöglichkeiten deutlich erschweren, wenn dem Auflösungsverfahren Streitigkeiten innerhalb eines Ältestenkreises zugrunde liegen. Durch den Verweis auf Artikel 112 GO wird verdeutlicht, dass der Rechtsschutz von jedem einzelnen Mitglied des Ältestenkreises aus eigener Rechtsstellung im üblichen Beschwerdeverfahren in Anspruch genommen werden kann. Damit sind auch die Regelungen in § 19 VWGG (vorausgehende Beschwerde zum Landeskirchenrat in synodaler Besetzung) sowie § 20 VWGG (aufschiebende Wirkung der Beschwerde) anwendbar.

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1 ↑ Siehe: Art. 2 Nr. 7 des 16. Änderungsgesetzes zur Grundordnung vom 20. Oktober 2005, GVBl. S. 166.
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2 ↑ Siehe: § 17 Abs. 2 LWG.
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3 ↑ Siehe dazu: Art. 105 Rdnr. 3.
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4 ↑ Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 20. April 2013, GVBl., S. 109.
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5 ↑ Vergl. dazu die Vorlage des Landeskirchenrates vom 27. Februar 2013: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 17. bis 20. April 2013, Anlage 6, S. 140 (S. 151).
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6 ↑ Vergl.: ebd.