Rechtsstand: 01.01.2021

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Artikel 79

( 1 ) Der Evangelische Oberkirchenrat besteht aus
  1. der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof;
  2. den stimmberechtigten theologischen und nicht theologischen Mitgliedern;
  3. den Prälatinnen und Prälaten als beratenden Mitgliedern.
( 2 ) Ein stimmberechtigtes theologisches Mitglied ist ständige Stellvertreterin bzw. ständiger Stellvertreter der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs.
( 3 ) Ein stimmberechtigtes rechtskundiges oder anderes nicht theologisches Mitglied ist verantwortlich für den geordneten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte (geschäftsleitendes Mitglied).
( 4 ) Die stimmberechtigten Mitglieder nach Absatz 1 Nr. 2 und den Absätzen 2 und 3 werden auf Vorschlag der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs durch die synodalen Mitglieder des Landeskirchenrates für eine Amtszeit von acht Jahren berufen. Wiederberufung ist mehrmalig möglich. Das Verfahren wird gesetzlich geregelt. Die stimmberechtigten Mitglieder nach Satz 1 werden von der Landesbischöfin bzw. vom Landesbischof in einem Gottesdienst nach der Ordnung der Agende eingeführt und verpflichtet. Sie können auf das Amt verzichten.
( 5 ) Für jedes stimmberechtigte Mitglied nach Absatz 1 Nr. 2 wird aus dem Kreis der Mitarbeitenden des jeweiligen Referates in widerruflicher Weise eine ständige Stellvertretung bestellt. Im Falle der Abwesenheit des Mitglieds nimmt diese an den Sitzungen des Evangelischen Oberkirchenrates und des Landeskirchenrates teil und übt das Stimmrecht aus. Die Bestellung erfolgt auf Vorschlag des Mitgliedes durch den Evangelischen Oberkirchenrat im Einvernehmen mit der Landesbischöfin oder dem Landesbischof und dem Landeskirchenrat in synodaler Besetzung.
( 6 ) Auf das Dienstverhältnis der stimmberechtigten theologischen Mitglieder nach Absatz 1 Nr. 2 finden die Bestimmungen des Dienstrechts für Pfarrerinnen und Pfarrer Anwendung. Das Dienstverhältnis der stimmberechtigten nicht theologischen Mitglieder richtet sich nach dem kirchlichen Beamtenrecht.
( 7 ) Die synodalen Mitglieder des Landeskirchenrates können stimmberechtigte Mitglieder nach Absatz 1 Nr. 2 aus dringenden Gründen des Dienstes nach Anhörung des Evangelischen Oberkirchenrates und im Benehmen mit der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof in den Ruhestand versetzen. Diese Entscheidung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der synodalen Mitglieder des Landeskirchenrates.
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Literatur
Winter, Jörg (2009): Das Kirchliche Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Baden. Ein rechtshistorischer Fall. In: Blaurock, Uwe / Bornkamm, Joachim / Kirchberg, Christian (Hrsg.): Festschrift für Achim Krämer zum 70. Geburtstag am 19. September 2009, S. 753 ff.
Friedrich, Otto (1978): Einführung in das Kirchenrecht. 2. Aufl. Göttingen.
Siehe im Übrigen bei Artikel 78.
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A. Zusammensetzung des Evangelischen Oberkirchenrates

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I. Theologische und nicht theologische Mitglieder

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1
Absatz 1 regelt die Zusammensetzung des »ständigen Rates« nach Art. 78 Abs. 1 GO1#, der im Rechtssinne »Der Evangelische Oberkirchenrat« ist.2# Geborene Mitglieder sind die von der Landessynode gewählte Landesbischöfin bzw. der Landesbischof und die Prälatinnen bzw. Prälaten.3# Bei den übrigen stimmberechtigen Mitgliedern4# nach Absatz 1 Nr. 2 wird unterschieden zwischen den theologischen und den nicht theologischen Mitgliedern. Die frühere Beschränkung der nicht theologischen Mitglieder auf »rechtskundige« Personen5# und damit auf Juristen mit der Befähigung zum Richteramt wurde mit dem Vierten Kirchlichen Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 29. April 19716# aufgegeben, was »wohl darin seinen Grund (hat), daß man u.U. auch Volkswirte7#, Soziologen oder Psychologen in den Oberkirchenrat berufen kann«8#.
2
Durch die volle Integration der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs in den Evangelischen Oberkirchenrat und die Übertragung des Vorsitzes9# wird das Zusammenwirken der Leitungsorgane im Interesse der »geistlich-rechtlichen Einheit« des gemeinsamen Leitungsdienstes unterstrichen. Auch auf diese Weise wird verhindert, dass es zu einem »Gegenüber« der geistlichen Leitungsspitze und einer von ihr unabhängig agierenden Kirchenverwaltung kommen kann.
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II. Stellvertretung der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs

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3
Absatz 2 regelt die Frage der Stellvertretung für die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof und beschränkt diese auf ein stimmberechtigtes theologisches Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates. Von dieser Funktion ausgeschlossen sind damit die nicht theologischen Mitglieder, die Prälatinnen und Prälaten sowie Personen, die dem Evangelischen Oberkirchenrat nicht angehören. Weitere rechtliche Vorgaben gibt es nicht, insbesondere besteht keine »Automatik«, dass das jeweils an Lebensalter oder Dienstjahren älteste Kollegiumsmitglied ein Anrecht darauf hat, die Stellvertretung übertragen zu bekommen.
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III. Geschäftsleitendes Mitglied

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4
Nach Absatz 3 ist im Evangelischen Oberkirchenrat »ein stimmberechtigtes rechtskundiges oder anderes nicht theologisches Mitglied« verantwortlich für »den geordneten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte (geschäftsleitendes Mitglied)«. Die Worte »oder anderes nicht theologisches Mitglied« wurden durch das Zehnte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 25. April 199010# eingefügt, sodass für die Übernahme der Geschäftsleitung die Befähigung zum Richteramt nicht mehr erforderlich ist.11#
5
Die Geschäftsleitung ist in der Grundordnung funktional beschrieben und zunächst nur auf den inneren Verwaltungsbetrieb bezogen.12# Das geschäftsleitende Mitglied ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Evangelischen Oberkirchenrates mit Ausnahme der Mitglieder des Kollegiums13# dienstlich vorgesetzt14#. Die Verantwortung für die fachliche Arbeit in den Referaten liegt dagegen bei den anderen Mitgliedern des Kollegiums für den jeweiligen Bereich ihrer Zuständigkeit. In dieser Hinsicht sind nur sie unter Beachtung der Führungsgrundsätze des Evangelischen Oberkirchenrates gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer Referate weisungsbefugt.15#
6
Aufgrund der andersartigen Stellung der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs im Verhältnis zum Evangelischen Oberkirchenrat ist mit der Geschäftsleitung keine herausgehobene Stellung nach außen im Sinne einer Präsidentschaft verbunden, wie es andere Kirchenverfassungen für ihre Landeskirchenämter oder Konsistorien kennen. Vom geschäftsleitenden Mitglied wird in der Praxis aber die Vertretung der Landeskirche in der Kirchenkonferenz der EKD16# und im Ältestenrat der Landessynode17# wahrgenommen.18#
7
Das geschäftsleitende Mitglied vertritt den Evangelischen Oberkirchenrat grundsätzlich in allen Angelegenheiten, die über die Fachebene hinaus Bedeutung haben, soweit das Kollegium keine andere Entscheidung getroffen hat.19# Davon unberührt bleibt die Bestimmung in Art. 73 Abs. 2 Nr. 7 GO, nach der die Landeskirche im kirchlichen und öffentlichen Leben von der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof vertreten wird.20# Das Vertretungsrecht des Geschäftsleitenden Mitglieds ist beschränkt durch die Zweckbindung an die Sicherstellung des geordneten Ablaufs der Verwaltungsgeschäfte des Evangelischen Oberkirchenrates.21# Das geschäftsleitende Mitglied kann seine Zuständigkeit mit Zustimmung des Kollegiums auf Dauer oder im Einzelfall delegieren.22#
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IV. Zusatzfunktion zum grundständigen Amt

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8
Die Funktionen der Stellvertretung und der Geschäftsleitung nach den Absätzen 2 und 3 werden von einem Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates zusätzlich zur Leitung eines Referats wahrgenommen und können bei einem Personalwechsel auf Vorschlag der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs mit Zustimmung des Landeskirchenrates auf ein anderes Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates übergehen. Eine Neuberufung in das grundständige Amt eines Mitglieds des Evangelischen Oberkirchenrates und eine erneute gottesdienstliche Einführung und Verpflichtung ist dafür nicht notwendig. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der Geschäftsverteilung im Evangelischen Oberkirchenrat, die wegen der herausgehobenen Bedeutung der Funktionen der Zustimmung des Landeskirchenrates in synodaler Besetzung bedarf. Allerdings werden die Inhaberinnen und Inhaber mit dieser Funktionen nach Absatz 4 für eine Amtszeit von 8 Jahren berufen, so dass davon auszugehen ist, dass ihnen diese während der laufenden Amtszeit ihrer Mitgliedschaft im Evangelischen Oberkirchenrat nicht wieder entzogen werden kann.23# Wird die Funktion erst nach der Berufung zu einem späteren Zeitpunkt übertragen, endet sie aber mit dem Ende der Amtszeit im ursprünglichen Hauptamt. Bei einer Wiederberufung ist über die Übertragung dieser Funktionen erneut zu entscheiden.
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B. Berufung der Mitglieder

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I. Amtszeitbegrenzung auf 8 Jahre

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9
Wesentliche Veränderungen im Berufungsverfahren für die Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates nach Absatz 1 Nr. 2 haben sich ergeben durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 20. April 201324# und die Verabschiedung des Leitungsamtsgesetzes am gleichen Tage.25# Neu ist die Begrenzung der Amtszeit auf 8 Jahre – im Unterschied zur Landesbischöfen bzw. zum Landesbischof26# – mit der Möglichkeit zur mehrmaligen Wiederberufung.27#
10
Die Amtszeitbegrenzung gilt für alle Mitglieder nach Absatz 1 Nr. 2 unabhängig davon, ob es sich um Theologen oder Nichttheologen handelt. In der Vergangenheit ist eine Amtszeitbegrenzung u.a. an der folgenden Überlegung gescheitert: »Im praktischen Vollzug dürfte die weitere Verwendung eines theologischen Mitglieds, auf dessen Dienstverhältnis Pfarrdienstrecht anzuwenden ist, nach Ablauf der Amtszeit in einem anderen Dienst der Landeskirche weniger schwierig sein, als dies bei den unter Beamtenrecht stehenden und im gesamten der Landeskirche nur eingeschränkt verwendbaren juristischen Mitgliedern des Evangelischen Oberkirchenrates der Fall sein dürfte. Das nach der Leitungskonzeption der Grundordnung für die Struktur des Evang. Oberkirchenrates grundlegende Kollegialprinzip widerrät jedoch einer unterschiedlichen Regelung für theologische und nicht theologische Mitglieder des Evang. Oberkirchenrats.«28#
11
Die Regelung in § 6 LeitAmtG sieht vor, dass die Betroffenen nach Ablauf ihrer Amtszeit in den Ruhestand bzw. den einstweiligen Ruhestand treten, soweit der Landeskirchenrat in synodaler Besetzung im Einvernehmen mit diesen sowie mit der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof keine Verwendung in einer anderen Pfarrstelle oder Beamtenstelle beschlossen hat. Die Auswirkungen dieser Regelung im Blick auf die Möglichkeit zur Gewinnung qualifizierten Personals muss die künftige Praxis zeigen.29#
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II. Bischöfliches Vorschlagsrecht

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Wie schon bisher erfolgt die Berufung auf Vorschlag der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs durch die synodalen Mitglieder des Landskirchenrates.30# Neu ist die Regelung im Leitungsamtsgesetz, dass sich die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof bei der Erarbeitung des Personalvorschlags für die erstmalige Berufung von einer Kommission31# beraten lassen muss32# und der Vorschlag zwei Namen enthalten soll, aber nicht mehr als drei Namen enthalten darf.33# Durch die Beschränkung auf eine beratende Funktion bleibt es aber dabei, dass zum Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrates nur jemand berufen werden kann, der von der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof vorgeschlagen worden ist. Das Vorschlagsrecht wird durch die Beratungspflicht nicht beschränkt.
13
Das Vorschlagsrecht der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs schließt ein freies Bewerbungsrecht um die Mitgliedschaft im Evangelischen Oberkirchenrat aus. Es ist zwar möglich, dass diese Stellen zur Interessenbekundung bei der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof ausgeschrieben werden, die Entscheidung über die vorzuschlagenden Personen ist jedoch allein Sache der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs. Auch zu einer Offenlegung der eingegangenen Interessenbekundungen besteht keine rechtliche Verpflichtung. Dieses Verfahren hat seine Berechtigung in dem notwendigen Vertrauensverhältnis und der betont kollegialen Struktur und Arbeitsweise des Evangelischen Oberkirchenrates.
14
Nach den in der Vorlage des Landskirchenrates gegebenen Erläuterungen34# soll über die Wiederberufung eines Mitglieds vom Landeskirchenrat in synodaler Besetzung ohne erneuten Vorschlag der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs »regelhaft« entschieden werden. Die Entscheidung über die Wiederberufung ist danach eine ausschließliche Entscheidung des Landeskirchenrates in synodaler Besetzung. Begründet wird dies mit Hinweis auf die gleiche bisherige Rechtslage, nach der die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof die vorzeitige Beendigung der Amtszeit eines Mitglieds im Kollegium von sich aus nicht erzwingen konnte.35# Insoweit hat sich deren Rechtsposition also nicht verändert.
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III. Berufungsverfahren

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Obwohl es nach der Neuregelung bei einer ersten Berufung einen Vorschlag mit mehreren Personen geben soll, ist die Regelung beibehalten worden, dass es sich nicht um eine Wahl, sondern um eine Berufung handelt, d.h., nach der Abstimmungsregel Art. 108 Abs. 1 Nr. 2 GO bedarf der Vorschlag der Mehrheit der anwesenden synodalen Mitglieder des Landeskirchenrates. Bei einer Anwendung der Wahlvorschriften würde in einem dann möglichen zweiten Wahlgang nach Art. 108 Abs. 1 Nr. 4 GO ein Drittel der Stimmen genügen, wenn im ersten Wahlgang keine der vorgeschlagenen Personen die Stimmen der Mehrheit der anwesenden Synodalen auf sich vereinigen konnte. Die Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates bedürfen aber für ihre Arbeit des Vertrauens der Mehrheit der Synodalen des Landeskirchenrates, ohne die eine Zusammenarbeit in diesem Gremium nicht möglich wäre.
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C. Stellvertretungsregelung

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Die Regelung in Absatz 5 ist in der Sache eingefügt worden durch das Vierzehnte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 2001.36# Sie dient der Entscheidungs- und Beschlussfähigkeit des Evangelischen Oberkirchenrates und des Landeskirchenrates.37# Da die nicht zum Kollegium gehörenden Stellvertreter bei Abwesenheit der Referatsleitung in diesen Organen das Stimmrecht ausüben, bedarf die Bestellung nach Absatz 5 Satz 3 der Zustimmung des Landeskirchenrats in synodaler Besetzung. Eine wechselseitige Stellvertretung der Kollegiumsmitglieder untereinander ist nicht vorgesehen. Das gilt auch für eine längere Vakanz.
17
Die in der Vorlage des Landskirchenrates zur Änderung der Grundordnung im Oktober 2019 ausdrücklich vorgesehenen Regelung, nach der mit Zustimmung des Landeskirchenrates in synodaler Besetzung für ein stimmberechtigtes Mitglied auch eine zweite Stellvertretung widerruflich hätte bestellt werden können, ist von der Landessynode zwar nicht übernommen worden, durch die sprachliche Neufassung der Bestimmung in diesem Gesetz ist diese Möglichkeit aber nicht mehr ausgeschlossen.38# Dementsprechend bestimmt die neue Geschäftsordnung des Evangelischen Oberkirchenrates vom 20. Januar 202039#, dass für die ständige Stellvertretung nach Abs. 5 in begründeten Ausnahmefällen für das betreffende Referat auch zwei Personen bestimmt werden können.40#
18
Im Zuge der Reduzierung des Fachreferates des Evangelischen Oberkirchenrates von bisher acht auf nunmehr sechs und den sich daraus ergebenden neuen Strukturen haben die Aufgaben und die Stellung der Stellvertreter der Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates erheblich an Bedeutung gewonnen. Nach § 7 Abs. 2 der Geschäftsordnung von 2020 nehmen diese an den Sitzungen beratend teil, »wenn das Kollegium als erweitertes Kollegium tagt«. In § 7 Abs. 3 werden eine Reihe von Tagesordnungspunkten benannt, die »in der Regel in einer Sitzung des erweiterten Kollegiums erörtert« werden. Dazu gehören u. a. solche, die »zur Vorbereitung politisch-strategischer Grundsatzentscheidungen einer vertieften Erörterung bedürfen«.
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D. Anwendung dienstrechtlicher Vorschriften

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Die Regelung in Absatz 6 entspricht der bisherigen Regelung in § 128 Abs. 3 GO. Weggefallen ist das Wort »sinngemäß«, weil im Regelfall Personen berufen werden, auf die das Pfarrdienstgesetz und das kirchliche Beamtenrecht direkt anwendbar sind.41#
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E. Zurruhesetzung aus dringenden Gründen des Dienstes

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Die Regelung in Absatz 7 ist eine Ausnahmevorschrift zu Absatz 4, da sie eine vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft im Evangelischen Oberkirchenrat auch vor Ablauf der regulären Amtszeit ermöglicht. Sie gilt nicht für die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof42# und die Prälatinnen und Prälaten. Eine vergleichbare Bestimmung enthielt bereits die Kirchenverfassung von 1919, die bestimmte, dass die Mitglieder der Kirchenregierung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmberechtigten »ohne Ansuchen aus dringenden Rücksichten des Dienstes durch die Landessynode zurruhegesetzt werden« konnten. Das Recht der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wurde im Leitungsgesetz von 195343# und später in der Grundordnung44# zunächst dem Landesbischof nach Anhörung des Landeskirchenrates zugestanden. Die Zuständigkeit des Landeskirchenrates in synodaler Besetzung wurde durch das Vierte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 19. April 197145# eingeführt.
21
Das Verfahren nach Absatz 7 ermöglicht nur die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand und keine Übertragung einer anderen Aufgabe. Sofern der dienstrechtliche Status der Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates davon unberührt bleibt, ist das eine Frage des internen Geschäftsverteilungsplanes in der Zuständigkeit des Kollegiums des Evangelischen Oberkirchenrates46#, die ohne Mitwirkung der synodalen Mitglieder des Landskirchenrates erfolgt.47# Diese ist nur erforderlich, wenn nach einem Amtsverzicht keine Versetzungen in den Ruhestand, sondern in einer anderen Aufgabe erfolgen soll.48#
22
Die Kirchenverfassung von 1919 bestimmte für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand durch die Landessynode, dass das Ruhegehalt »ohne Rücksicht auf die Dienstzeit drei Viertel des letzten Diensteinkommens« beträgt.49# Eine solche Regelung enthält die Grundordnung nicht mehr, so dass die allgemeinen Bestimmungen über das Ruhegehalt zur Anwendung kommen.
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F. Antrag auf Zurruhesetzung oder Übertragung einer anderen Aufgabe

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Die früher in Absatz 8 enthaltene Regelung, nach der die Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates auf ihren Antrag von der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof nach Anhörung des Landeskirchenrates mit »einer anderen Aufgabe« zu betrauen oder in den Ruhestand zu versetzen waren, ist in der Grundordnung durch das Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 20. April 201350# gestrichen worden.
24
Eine Ersatzregelung findet sich jetzt in § 8 LeitAmtG. Danach können alle Mitglieder des Evangelischen Oberkirchenrates vor Ablauf ihrer Amtszeit auf das Amt verzichten. Nach § 8 Abs. 3 LeitAmtG führt der Verzicht zur Versetzung in den Ruhestand, es sei denn der Landeskirchenrat in synodaler Besetzung hat den Amtsverzicht genehmigt. In diesem Falle kommt auch eine weitere Verwendung in einer anderen Pfarrstelle oder Beamtenstelle nach § 6 Abs. 2 LeitAmtG in Betracht. Der Unterschied zur früheren Regelung besteht darin, dass die Kollegiumsmitglieder – anders als nach dem Art. 79 Abs. 8 a.F. – auf die Übertragung einer anderen Aufgabe – innerhalb oder außerhalb des Evangelischen Oberkirchenrates – keinen Rechtsanspruch mehr haben.51#
25
Die Möglichkeit auf eigenen Antrag vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden, war bereits im Leitungsgesetz vom 29. April 195352# vorgesehen. Zur Begründung hieß es damals:
»Wir stehen auf dem Standpunkt, die Mitglieder des Evang. Oberkirchenrates sind besonders vertraute Mitarbeiter des Landesbischofs und müssen das sein. Ohne daß der Landesbischof Vertrauen in sie hat, können sie ihr Amt nicht ausüben. Umgekehrt kann man auch den Mitgliedern des Oberkirchenrates nicht zumuten, mit einem Landesbischof zusammenzuarbeiten, mit dem sie aus irgendwelchen grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht arbeiten können oder zu können glauben.«53#
Eine Beteiligung des damaligen Erweiterten Oberkirchenrates, dem Vorläufer des heutigen Landeskirchenrates, hielt man nicht für notwendig:
»Ich kann mir nicht denken, welche Bedeutung nun das Votum des Erweiterten Evang. Oberkirchenrates haben soll, wenn ein Mitglied des Oberkirchenrates sagt, ich kann nicht mehr in dieser Stellung tätig sein, ich will in den Ruhestand treten. Was soll dann der Erweiterte Evang. Oberkirchenrat machen? Soll er sagen: bitte gib die Gründe genau an, aus denen du in den Ruhestand treten willst. Ich glaube, das geht über die Kompetenzen des Erweiterten Oberkirchenrates hinaus.«54#
26
Dieser Auffassung entsprechend war in der Grundordnung eine Beteiligung des Landeskirchenrates ursprünglich nicht vorgesehen bzw. zuletzt in der relativ schwachen Form der Anhörung. Die Zurruhesetzung durch die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof nach Absatz 8 a.F. war eine Ausnahmebestimmung zu Art. 78 Abs. 2 Nr. 8 GO, nach dem die Wahrnehmung der dienstrechtlichen Befugnisse der Landeskirche als Dienstherr dem Evangelischen Oberkirchenrat obliegt. Die vorzeitige Zurruhesetzung auf eigenen Antrag bedurfte daher auch keines Beschlusses des Evangelischen Oberkirchenrats. Anders als in der ursprünglichen Fassung55# konnte der Antrag später nicht nur auf eine Zurruhesetzung abzielen, sondern auch auf eine anderweitige Verwendung als bisher.56#
27
Die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof war an den Antrag gebunden und hatte keinen Ermessenspielraum. Soweit er voreilig oder unbedacht gestellt worden sein sollte, bestand allerdings die Möglichkeit der dilatorischen Behandlung, um die notwendige Zeit für vermittelnde Gespräche zu haben. Ein historischer Anwendungsfall sind die Auseinandersetzungen um den Rücktritt von Oberkirchenrat Friedrich Bürgy im Jahre 1979, der sogar das kirchliche Verwaltungsgericht beschäftigt hat.57#

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1 ↑ Siehe früher § 128 GO.
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2 ↑ Siehe dazu auch oben: Artikel 78 Rdnr. 11.
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3 ↑ Siehe dazu: Artikel 77.
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4 ↑ Die Amtsbezeichnung »Oberkirchenräte« verwendet die Grundordnung seit dem Vierzehnten Kirchlichen Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 2001, GVBl. S. 61, nicht mehr. Das hat seinen Grund nicht nur darin, Probleme im Zusammenhang mit einer inklusiven Sprache für Frauen und Männer zu vermeiden, sondern auch darin, die Möglichkeit zu eröffnen, Personen in den Evangelischen Oberkirchenrat berufen zu können, die diese Amtsbezeichnung nicht führen. In tatsächlicher Hinsicht ist das bisher aber nicht praktisch geworden.
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5 ↑ Vergl.: § 109 Abs. 1 GO i.d.F. vom 23. April 1958, GVBl. S. 17.
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6 ↑ GVBl. S. 89.
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7 ↑ Diesen Fall hat es mit dem früheren Finanzreferenten und geschäftsleitenden Oberkirchenrat Beatus Fischer inzwischen zum ersten Mal auch tatsächlich gegeben.
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8 ↑ So der Kommentar von Otto Friedrich (1978): S. 399 mit deutlich kritischem Unterton.
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9 ↑ Siehe: Artikel 80 Abs. 1 GO.
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10 ↑ GVBl. S. 145.
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11 ↑ Vergl. dazu den Bericht des Rechtsausschusses durch den Synodalen Mahler: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 22. bis 27. April 1990, S. 79 ff.
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12 ↑ Die Einzelheiten dazu sind in der Geschäftsordnung des Evangelischen Oberkirchenrates vom 20. Januar 2020, GVBl. S. 95 geregelt.
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13 ↑ Vergl. dazu: Artikel 73 Rdnr. 20.
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14 ↑ § 8 Satz 2 GeschOEOK.
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15 ↑ § 12 Satz 2 GeschOEOK.
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16 ↑ Vergl.: Artikel 28 Abs. 2 GOEKD.
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17 ↑ Vergl.: § 11 Abs. 1 Satz 2 GeschOLS.
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18 ↑ Siehe dazu auch unten: Artikel 80 Rdnr. 2.
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19 ↑ § 8 Satz 1 GeschOEOK.
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20 ↑ Vergl. dazu bei Artikel 73 Rdnr. 21.
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21 ↑ Vergl.: § 8 Satz 1 GeschOEOK. Zur rechtlichen Vertretung der Landeskirche durch den Evangelischen Oberkirchenrat vergl. im Übrigen bei Artikel 78 Rdnr. 22.
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22 ↑ § 8 Satz 3 GeschOEOK. Eine generelle Bestimmung, dass das geschäftsleitende Mitglied die Willenserklärungen der »Behörde« nach außen abzugeben hat, wie es in § 4 Abs.1 des Umbaugesetzes vom 1. Juni 1933 vorgesehen war, gibt es heute nicht mehr.
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23 ↑ Die Möglichkeit der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand unter gleichzeitigem Verlust des Hauptamtes nach Abs. 7 bleibt davon unberührt.
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24 ↑ GVBl. S. 109.
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25 ↑ Kirchliches Gesetz über die kirchlichen Leitungsämter in der Evangelischen Landeskirche in Baden (Leitungsamtsgesetz – LeitAmtG) vom 20. April 2013, GVBl. S. 119, zuletzt geändert am 21. Oktober 2015, GVBl. S. 167 (RS Baden Nr. 110.500).
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26 ↑ Bei diesen ist nach Artikel 74 Abs. 3 GO eine Wiederberufung ausgeschlossen.
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27 ↑ Zu den grundsätzlichen Fragen einer Amtszeitbegrenzung siehe bei Artikel 74 Rdnr. 7 ff.
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28 ↑ Erläuterungen zum Entwurf des 2. Kirchlichen Gesetzes zur Änderung der Grundordnung, Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom Oktober 1969, Anl. 1, S. 32.
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29 ↑ Zu den damit zusammenhängenden Problemen siehe die Voten von Landesbischof Ulrich Fischer und Oberkirchenrätin Barbara Bauer: Verhandlungen der Landessynode, Ordentliche Tagung vom 21. bis 25. Oktober 2012, S. 61 ff. und S. 64 ff.
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30 ↑ Siehe auch § 84 Abs. 2 Nr. 2.
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31 ↑ Zur Zusammensetzung der Kommission siehe § 3a Abs. 3 LeitAmtG (RS Baden Nr. 510.100).
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32 ↑ § 3a Abs. 1 Satz 2 LeitAmtG.
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33 ↑ § 3a Abs. 4 LeitAmtG.
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34 ↑ Vorlage des Landeskirchenrates, Entwurf Kirchliches Gesetz zur Änderung der Grundordnung 2013, Verhandlungen der Landessynode, Ordentliche Tagung vom 17. bis 20. April 2013, Anlage 6, S. 152.
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35 ↑ Dafür war entweder eine Abberufung aus dringenden Gründen des Dienstes nach Art. 79 Abs. 7 GO durch den Landeskirchenrat in synodaler Besetzung oder ein Antrag der Betroffenen nach Art. 79 Abs. 8 a.F. (siehe jetzt § 8 LeitAmtG) notwendig.
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36 ↑ GVBl. S. 61.
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37 ↑ Vergl. dazu den gemeinsamen Bericht der Ausschüsse durch die Synodale Schiele: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 25. bis 28. April 2001, S. 56.
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38 ↑ In der bisherigen Fassung hieß es, dass »jeweils eine Person« für die Stellvertretung zu bestellen ist.
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39 ↑ GVBl. S. 95.
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40 ↑ Siehe dazu: § 9 Abs. 1 GeschOEOK.
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41 ↑ Zu den dienstrechtlichen Verhältnissen siehe im Übrigen: § 3 LeitAmtG.
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42 ↑ Vergl. dazu: Artikel 74 Rdnr. 10.
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43 ↑ § 19 Abs. 4 Leitungsgesetz.
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44 ↑ § 109 Abs. 4 GO i.d.F. vom 23. April 1958, GVBl. S. 17.
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45 ↑ GVBl. S. 89.
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46 ↑ Vergl. § 10 Abs. 1 Nr. 8 GeschOEOK.
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47 ↑ Eine Ausnahme gilt insoweit nur für die Funktionen der Geschäftsleitung und der bischöflichen Stellvertretung, siehe dazu Rdnr. 7.
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48 ↑ Siehe dazu untern Rdnr. 20.
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49 ↑ § 126 Abs. 4 Satz 3 KV 1919.
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50 ↑ GVBl. S. 109, Nr. 27.
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51 ↑ Siehe dazu unten Rdnr. 21 ff.
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52 ↑ Vergl.: § 19 Abs. 4 Satz 2 Leitungsgesetz.
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53 ↑ So Präsident Erwin Umhauer: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom Januar 1953, S. 43.
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54 ↑ Umhauer: ebd.
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55 ↑ Die Möglichkeit einer weiteren Verwendung sollte damals einer gesetzlichen Regelung überlassen bleiben, vergl.: § 109 Abs. 4 Satz 3 GO i.d.F. vom 23. April 1958, GVBl. S. 17.
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56 ↑ Diese Möglichkeit wurde eingeführt durch das Vierte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 28. April 1971, GVBl. S. 89.
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57 ↑ Vergl. dazu: J. Winter (2009).