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1 Der Evangelische Oberkirchenrat gibt der Landessynode regelmäßige Berichte über seine bisher geleistete Arbeit und seine Planungen für die Zukunft. 2 Soweit der Landeskirchenrat nichts anderes beschlossen hat, geschieht dies im Rahmen der Ziel- und Leistungsplanung zum Haushaltsbuch und durch Besuche von Kommissionen der Landessynode im Evangelischen Oberkirchenrat.
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Artikel 72 entspricht in sprachlich verkürzter Form in der Sache dem bisherigen § 119 GO, der durch das Vierzehnte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 2001 neu gefasst worden ist. Der Evangelische Oberkirchenrat hatte nach der früheren Fassung von § 119 GO der Landessynode während einer Amtszeit nach vorheriger Beratung im Landeskirchenrat mindestens zweimal einen Hauptbericht vorzulegen, der über alles Wichtige, was auf kirchlichem Gebiet seit der Erstattung des letzten Hauptberichts vorgekommen war, Rechenschaft gab. Die Erstellung dieser Hauptberichte mit einem Umfang von 80 bis 100 Druckseiten verursachte im Evangelischen Oberkirchenrat einen erheblichen Arbeitsaufwand. Bei den Landessynodalen ergab sich daraus ein umfangreicher Lesestoff. Beides stand in keinem angemessenen Verhältnis zu den konkreten Folgerungen, die daraus gezogen wurden. Angesichts der Fülle der Informationen aus den einzelnen Referaten wurde der Hauptbericht von den Mitgliedern der Landessynode zunehmend als eine Überforderung empfunden. Hinzu kam, dass sich die Hauptberichte überwiegend im Stile von Rechenschaftsberichten auf die Vergangenheit bezogen und die Entwicklung von Zukunftsperspektiven darüber zu kurz kam. Das alles führte dazu, den Hauptbericht in seiner bisherigen Form zu problematisieren.
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Durch die Umstellung des klassischen Haushaltsplanes auf das Haushaltsbuch, das alle zwei Jahre vorgelegt wird, ergab sich die Möglichkeit, den Hauptbericht abzuschaffen und durch eine zeitgemäßere Form der Berichterstattung zu ersetzen, in der vor allem auch Zukunftsperspektiven entwickelt werden. Im Zusammenhang mit der Einführung des Budgetierungssystems enthält das Haushaltsbuch Leistungsbeschreibungen und Leistungsziele der einzelnen Referate, die im Verhältnis zum Hauptbericht zur Doppelarbeit geführt hätten. Auch aus diesem Grunde hat sich dieser als überflüssig erwiesen.
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Als innovatives Element wurden in diesem Zusammenhang zugleich die Besuche der Referate des Evangelischen Oberkirchenrates durch Kommissionen der Landessynode eingeführt. Jedes Referat wird einmal im Laufe der Legislaturperiode besucht. Nach der vom Landeskirchenrat erlassen Besuchsordnung dienen die Besuche dazu, die Ziele zu fördern, die sich aus Artikel 7 GO für das Zusammenwirken der landeskirchlichen Leitungsorgane in geistlicher und rechtlicher Einheit ergeben. Sie sind Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung für die Erfüllung des Auftrags der Kirche, an der alle kirchlichen Organe mitwirken. Über die Besuche erstattet die Kommission der Landessynode einen schriftlichen Bericht, über dessen weitere Behandlung der Ältestenrat der Synode entscheidet. In der Vergangenheit ist regelmäßig im Plenum der Landessynode berichtet worden.
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Durch die Besuche und die Berichte erhält die Landessynode einen wesentlich anschaulicheren Einblick in die Arbeit des Evangelischen Oberkirchenrates, als das früher durch die Hauptberichte der Fall war. Im ersten Besuchsbericht vor der Landessynode wurde das auf die Formel gebracht: »Das Haushaltsbuch bekommt auf einmal Gesichter.« Zudem entspricht dieses Verfahren in besonderer Weise dem Prinzip des Zusammenwirkens der Leitungsorgane nach Art. 64 Abs. 2 GO und unterstreicht die gemeinsame Verantwortung für die Leitung der Landeskirche.
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Die Besuche der Landessynode beim Evangelischen Oberkirchenrat fallen zwar formal nicht unter die Visitationsordnung, die Besuchsordnung orientiert sich aber daran in ihrer Grundausrichtung, insbesondere durch ihre Zielorientierung und die Abkehr vom Rechenschaftsbericht alter Prägung. Darin zeigt sich, dass die Visitation heute nicht mehr als Instrument der Kirchenaufsicht in einem hierarchischen System verstanden werden kann, sondern sich als ein »geschwisterlicher Besuchsdienst« erweist, den sich auch kirchliche Organe auf gleicher Ebene erweisen können.
Rechtsstand: 01.01.2021
Artikel 72
1 ↑ GVBl. S. 61.
2 ↑ Der landeskirchliche Haushalt ist zum ersten Mal im Oktober 1997 in der Form des Haushaltsbuches vorgelegt worden; vergl. dazu den Bericht des damaligen Finanzreferenten Beatus Fischer: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 19. bis 24. Oktober 1997, S. 18.
3 ↑ Siehe: Ordnung für die Besuche der Landessynode beim Evangelischen Oberkirchenrat vom 21. Mai 2014, GVBl. S. 226 (RS Baden Nr. 100.310).
4 ↑ § 1 BesO.
5 ↑ § 12 BesO.
6 ↑ Siehe: Bericht über den Besuch im Referat 1 (Grundsatzplanung und Öffentlichkeitsarbeit), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 19. bis 23. Oktober 2003, Anl. 17 und Ordentliche Tagung vom 18. bis 22. Oktober 2009, Anl. 18; Bericht über den Besuch im Referat 6 (Rechtsreferat), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 17. bis 21. Oktober 2004, Anl. 15; Bericht über den Besuch im Referat 7 (Finanzen und Geschäftsleitung), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 20. bis 23 April 2005, Anl. 11; Bericht über den Besuch im Referat 4 (Erziehung und Bildung in Schule und Gemeinde), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 16. bis 20. Oktober 2005, Anl. 16; Bericht über den Besuch im Referat 8 (Gemeindefinanzen, Liegenschaften und Bau), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 26. bis 29. April 2006, Anl. 9; Bericht über den Besuch im Referat 5 (Diakonie, Mission, Ökumene), Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 22. bis 26. Oktober 2006, Anl. 8; zur Frage der Veröffentlichung der Berichte siehe: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 21. bis 24. April 2004, S. 63 ff. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BesO kann im Einzelfall eine Verständigung über nicht öffentliche Berichte erfolgen.
7 ↑ Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 19. bis 23. Oktober 2003, S. 85.
8 ↑ RS Baden Nr. 110.200.
9 ↑ Zur Visitation vergl. im Einzelnen: Art. 73 Rdnr. 24 ff.