Rechtsstand: 01.01.2021

.#
##

4. Die Religionslehrerinnen und Religionslehrer

#

Artikel 99

Die Landeskirche beruft zur Erteilung von evangelischem Religionsunterricht an öffentlichen und privaten Schulen dafür qualifizierte Religionslehrerinnen und Religionslehrer. Ihre Tätigkeit gründet im Verkündigungsauftrag der Kirche.
####
Literatur
Becker, Stefanie (2011): Die Rechtsstellung des evangelischen Religionslehrers in der öffentlichen Schule am Beispiel der Evangelischen Landeskirche in Baden. (Europäische Hochschulschriften Reihe II. Rechtswissenschaft, Bd. 5249. Frankfurt a.M.
Schnabel-Rudisile, Maike (2019): Seelsorge in der Evangelischen Kirche und ihre strafrechtlichen Rahmenbedingungen. Hamburg.
Winter, Jörg (2000): Beichtgeheimnis und seelsorgerliche Verschwiegenheit – Eine Fallbesprechung. KuR, S. 79 ff. (= 935, S. 11ff.).
#
1
Artikel 99 entspricht wörtlich dem früheren § 66 b GO, der mit dem Vierzehnten Kirchlichen Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 2001 in die Grundordnung eingefügt worden ist.1# Er betrifft diejenigen kirchlichen Religionslehrkräfte, die nicht unter Artikel 94 GO, der nur ordinierte Pfarrerinnen und Pfarrer im Religionsunterricht erfasst, fallen und die nicht zu den Diakoninnen und Diakonen gehören, für die in Artikel 98 GO eine eigene Vorschrift besteht. Als kirchliche Lehrkräfte werden im Religionsunterricht sowohl Religionslehrerinnen und Religionslehrer eingesetzt, die ausschließlich diesen Unterricht erteilen, als auch solche Personen, die im Einzelfall damit beauftragt werden.2# Voraussetzung für den Einsatz dieser Lehrkräfte ist eine abgeschlossene Ausbildung für die Erteilung von evangelischem Religionsunterricht in der entsprechenden Schulart.3#
2
Die Verankerung des Amtes auch der nicht ordinierten Religionslehrerinnen und Religionslehrer in den Verkündigungsauftrag der Kirche nach Satz 2 ist der gemeinsame Bezugspunkt und die Grundlage für alle im Religionsunterricht tätigen kirchlichen Lehrkräfte. Das findet seinen sichtbaren Ausdruck darin, dass bei ihrem Dienstantritt eine gottesdienstliche Einführung bzw. Vorstellung stattfinden soll ohne Rücksicht auf ihren rechtlichen Status.4#
3
Fraglich ist, ob sich aus Satz 2 auch für Religionslehrerinnen und Religionslehre, die nicht ordiniert sind, ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO begründen lässt, nach dem »Geistliche« über alles, was ihnen in der Seelsorge anvertraut oder sonst bekannt geworden ist, im Strafprozess die Aussage verweigern dürfen.5# Der Bundesgerichtshof hat in einer viel diskutierten Entscheidung vom 11. November 20066# – mit späterer Billigung des Bundesverfassungsgerichts7# – entschieden, dass der Begriff des »Geistlichen« im Sinne von § 53 StPO, nicht auf die ordinierten Amtsträger beschränkt ist.8# Damit ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass auch anderen Personen, die in der kirchlichen Seelsorge tätig sind, ein Zeugnisverweigerungsrecht haben können, der BGH hat aber noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses nicht anzuerkennen ist, wenn es sich um eine karitative, fürsorgerische, erzieherische oder verwaltende Tätigkeit handelt. Nicht ordinierte Religionslehreinnen und Religionslehrer haben daher im Strafprozess grundsätzlich kein Zeugnisverweigerungsrecht, es sei denn dass ihnen eine seelsorgerliche Tätigkeit besonders übertragen worden ist. Nach Auffassung des BGH ist dafür eine individuelle Beauftragung erforderlich, die im Einzelfall durch eine Beurkundung oder jedenfalls als ausdrücklicher Bestandteil des Dienstauftrages nachweisbar ist.
4
Gegen die denkbare Möglichkeit alle Religionslehreinnen und Religionslehrer pauschal mit einem Seelsorgeauftrag in der Schule auszustatten, ergeben sich grundsätzliche Bedenken. Dagegen spricht vor allem die relativ großen Zahl der Betroffenen. Der Staat verzichtet mit dem Zeugnisverweigerungsrecht auf eine Erkenntnisquelle, die zur Aufklärung einer Straftat führen könnte. Dieses Recht muss daher restriktiv gehandhabt werden. Die Kirche sollte deshalb der Versuchung widerstehen, den Kreis der zur Seelsorge Berufenen in inflationärer Weise auszuweiten. Dem wertvollen Institut des Zeugnisverweigerungsrechts der »Geistlichen« wäre damit nicht gedient und würde seine rechtspolitische Anerkennung auf Dauer sicher gefährden.
5
Auf diesem Hintergrund hat die EKD als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre 2009 das Seelsorgegeheimnisgesetz9# verabschiedet, in dem die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen ein solcher Auftrag erteilt werden kann.10# Aus den oben genannten Gründen erscheint es sinnvoll, nur diejenigen nicht ordinierten Religionslehrerinnen und Religionslehrer mit einer förmlichen Urkunde individuell zur Seelsorge zu berufen, die den in diesem Gesetz genannten Anforderungen genügen und bei denen dafür im Deputat eine bestimmte Anzahl von Stunden ausgewiesen sind.

#
1 ↑ GVBl. S. 61.
#
2 ↑ § 12 Abs. 2 RUG (RS Baden Nr. 370.100); hinzu kommen solche Personen, die im Rahmen ihres Dienstauftrages Religionsunterricht zu erteilen haben.
#
3 ↑ Siehe dazu § 10 Abs. 1 RUG.
#
4 ↑ § 12 Abs. 3 RUG.
#
5 ↑ Vergl. dazu eingehend: S. Becker (2011): 176 ff:; als praktischen Anwendungsfall siehe: J. Winter (2000).
#
6 ↑ NJW 2007, S. 307.
#
7 ↑ NJW 2007, S. 307. BVerfG 2 BvR 26/07 v. 25.01.07.
#
8 ↑ Siehe dazu bei Art. 90 Rdnr. 20 ff.
#
9 ↑ Kirchengesetz zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses (Seelsorgegeheimnisgesetz – SeelGG) vom 28 Oktober 2009, ABl. EKD 2009 S. 352 (RS Baden Nr. 320.800), zu diesem Gesetz siehe: M. Schnabel-Rudisile (2019).
#
10 ↑ Siehe: § 4 SeelGG.