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Urkunde
über die Vereinigung beider Evangelischen Kirchen
in dem Großherzogtum Baden

Vom 26. Juli 1821
(Reg.Bl. 1821, Beil. zu Nr. XVI)

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Gleich hochherzig und gleich begeistert für die Wahrheit, wie sie der Welt im Evangelium offenbar geworden, trennten sich nichts destoweniger unsre frommen Vorfahren in einer Hauptlehre derselben. So entstanden die evangelisch-lutherische und die evangelisch-reformierte Kirche. Jede von beiden hielt an ihrer Lehre fest, verteidigte sie und betritt die ihr gegenüber befindliche, in jeder gewann allmählich der Ritus, die Verfassung und die innere Einrichtung der Kirche eine eigentümliche Gestaltung.
So erhielt sich die Trennung durch drei Jahrhunderte hindurch, doch umschlang beide selbst in dieser Trennung ein Band, der Glaube an Jesus Christus und an seine ewige den Menschen mit Gott versöhnende Liebe; und ein Geist war es, der beide belebte, der Geist freier Forschung in der unversiegbaren Quelle dieses Glaubens, in der heiligen Schrift. Und eben in diesem gemeinsamen Glauben und Geiste war von Anfang und blieb die Möglichkeit, aus der Trennung heraus zu Vereinigung und Einheit zu gelangen.
Die Trennung selbst aber hatte die segensreiche Wirkung, daß bei fortgesetzten Forschungen betreffend jene Hauptlehre der Glaube an die Vereinigung des Menschen mit Jesus Christus, dem Heiland der Welt, im heiligen Abendmahl immer bestimmter hervorgetreten und die Art und Weise dieser Vereinigung zu verstehen und zu begreifen jeder Versuch gemacht und die Möglichkeit neuer Versuche erschöpft war.
Das Anerkenntnis der Notwendigkeit des Glaubens an die Vereinigung mit Christus im heiligen Abendmahle und das Erkenntnis der Freiheit und Außerwesentlichkeit der Vorstellungen und Vorstellungsarten über das Wie derselben ist wohl für den wahren Grund zu achten, woraus in mehreren Gemeinden evangelisch-lutherischer und evangelisch-reformierter Konfession in unsern Tagen das Bedürfnis von neuem und ergreifender als in früheren Zeiten hervorging, den Unterschied zwischen den beiden Kirchen nicht ferner bestehen zu lassen, sondern sich zu einer evangelisch-protestantischen Kirche zu vereinigen.
Auch in den Großherzoglich Badischen Landen ist dieses Bedürfnis, gefühlt und endlich in lauten Wünschen kund und öffentlich geworden, und nachdem Seine königliche Hoheit, unser gnädigster Landesherr und Bischof von dem Geiste seines hochleuchtenden Ahnen Karl Friedrich beseelt, durch das höchste Reskript vom 7. Juli vorigen Jahres eine die gesamte evangelische Landeskirche in ihren Abgeordneten geist- und weltlichen Standes repräsentierende Generalsynode zur Beratung dieser Kirchenvereinigung in allen ihren Teilen auf den 2. Juli dieses Jahres an den Sitz höchstdero Regierung zu berufen huldreichst geruhet haben, so machten sich unterzeichnete Abgeordnete zur teuersten und heiligsten Pflicht, vordersamst die von der evangelischen obersten Kirchenbehörde vorbereiteten und ihnen in einzelnen Entwürfen vorgelegten Materialien einer solchen Kirchenvereinigung in eben so vielen aus ihrer Mitte gebildeten Kommissionen mit aller eines so wichtigen Gegenstandes würdigen Aufmerksamkeit und Unbefangenheit zu erwägen, und sind sodann in den vollen Sitzungen der Generalsynode vom 10., 11., 12., 13., 14., 17. und 21. Juli unter Gottes gnädigem Beistande über folgendes unwiderruflich übereingekommen.
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§ 1

Beide bisher getrennten evangelisch-protestantischen Kirchen im Großherzogtum Baden bilden hinfort eine vereinigte evangelisch-protestantische Kirche, die alle evangelischen Kirchengemeinden in dem Maße in sich schließt, daß in derselben jetzt und in Zukunft keine Spaltung in unierte und nicht unierte Kirchen stattfinden kann und darf, sondern die evangelische Kirche des Landes nur ein wohl und innig vereintes Ganzes darstellt.
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§ 2

Diese vereinigte evangelisch-protestantische Kirche legt den Bekenntnisschriften, welche späterhin mit dem Namen symbolischer Bücher bezeichnet wurden, und noch vor der wirklichen Trennung in der evangelischen Kirche erschienen sind, und unter diesen namentlich und ausdrücklich der
Augsburgischen Konfession
im allgemeinem, sowie den besonderen Bekenntnisschriften der beiden bisherigen Evangelischen Kirchen im Großherzogtum Baden, dem
Katechismus Luthers und dem Heidelberger Katechismus
das ihnen bisher zuerkannte normative Ansehen auch ferner mit voller Anerkenntnis desselben insofern und insoweit bei, als durch jenes erstere mutige Bekenntnis vor Kaiser und Reich das zu Verlust ergangene Prinzip und Recht der freien Forschung in der heiligen Schrift als der einzigen sicheren Quelle des christlichen Glaubens und Wissens wieder laut gefordert und behauptet, in diesen beiden Bekenntnisschriften aber faktisch angewendet worden, demnach in demselben die reine Grundlage des evangelischen Protestantismus zu suchen und zu finden ist.
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§ 3

Durch die geschehene Vereinigung hält sie sich mit allen sowohl jetzt schon unierten als noch getrennten evangelisch-reformierten und evangelisch-lutherischen Kirchen des Auslandes innigst verbunden und erklärt sich für eintretend in alle Rechte und Verbindlichkeiten der bisher getrennt gewesenen beiden evangelischen Kirchen.
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§ 4

Um zu einer solchen gründlichen Union zu gelangen, nahm die Generalsynode die Lehre, den Ritus, die Verfassung, die innere Anordnung und das Vermögensverhältnis beider Kirchen in eine sorgsame Betrachtung und suchte das in jedem dieser Teile den verschiedenen Kirchen Eigentümliche zu einem gemeinsamen Ganzen zu erheben.
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§ 5
Lehre

Indem sich in den übrigen Punkten der Lehre der evangelisch-lutherischen und evangelisch-refomierten Kirche kein trennender Unterschied findet, so vereinigte sich die Generalsynode in der Lehre von dem heiligen Abendmahl in folgenden dem Lehrbuch der vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche einzuschaltenden Sätzen, ohne jedoch damit in Hinsicht der besonderen Vorstellungen darin die Gewissen binden zu wollen.
Frage 1
Was ist ein Sakrament?
Antw.
Eine heilige und kirchliche Handlung, gestiftet von unserm Herrn und Heiland Jesus Christus, in welcher uns unter sichtbaren Zeichen unsichtbare Gnaden und Güter dargestellt und gegeben werden.
Frage 2
Was ist das heilige Abendmahl?
Antw.
Das Mahl, welches Jesus Christus am Abend vor seinem Leiden und Sterben zum Andenken an seinen Erlösungstod eingesetzt hat.
Frage 3
Wie lauten die Worte der Einsetzung?
Antw.
Matt. 26, V. 26-28, Luk. 22, V. 19.20. Unser Herr Jesus in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brachs und gabs den Jüngern und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desselbigengleichen auch den Kelch nach dem Abendmahle, dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus, das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden; das tut zu meinem Gedächtnis.
Frage 4
Was empfangen wir in dem heiligen Abendmahle?
Antw.
Mit Brot und Wein empfangen wir den Leib und das Blut Christi zur Vereinigung mit ihm unserm Herrn und Heiland nach 1. Kor. 10, V. 16. Das Brot, das wir brechen, ist die Gemeinschaft usw.
Frage 5
Welches sind also bei dem Abendmahl des Herrn die sichtbaren Zeichen?
Antw.
Brot und Wein, welche auch in dem Genusse desselben Brot und Wein bleiben.
Frage 6
Welches sind die unsichtbaren Gnaden und Güter im heiligen Abendmahle?
Antw.
Alles, was uns Jesus Christus durch sein Leben, Leiden und Sterben erworben hat, nämlich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.
Frage 7
Wozu bewegt uns die würdige Teilnahme an dem heiligen Abendmahle?
Antw.
Bei unserer innigen Gemeinschaft mit Christo dankbar gegen Gott zu sein und in der Heiligung zu wachsen.
Frage 8
Wie bereiten wir uns zum würdigen Genusse des heiligen Mahles vor?
Antw.
Dadurch, daß wir uns sorgsam selber prüfen, uns unserer Sünden wegen mißfallen, sie ernstlich bereuen, von Herzen die Gnade Gottes suchen, seinen Beistand zu unserer Besserung erflehen und gegen unsern Nächsten versöhnlich sind, wie wir selbst der Versöhnung bedürfen.
Das oben erwähnte in vollständiger Ausarbeitung der Glaubenslehren vorgelegte und von der dazu niedergesetzten Kommission begutachtete gemeinschaftliche Lehrbuch soll noch nach der von derselben gegebenen Anleitung binnen Jahresfrist vollendet, überarbeitet, von der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg revidiert und zum Spätjahr des Jahres 1822 von der evangelischen Ministerialsektion zum allgemeinen Gebrauch in Kirchen und Schulen, beim Konfirmandenunterricht und den Sonntagskatechisationen für so lange eingeführt werden, bis sich entweder bei nächster Generalsynode aus seiner Wirksamkeit im Volk ergeben haben, ob dasselbe der Idee eines Landeskatechismus zugleich mit der Eigenschaft einer Bekenntnisschrift entsprechen, oder ein anderer solcher Landeskatechismus auf den Grund der bisherigen mit Berücksichtigung des obigen Lehrbuchs ausgearbeitet und erschienen sein wird. Während dieses Jahres mögen die in den verschiedenen Landesteilen eingeführten Lehrbücher noch beibehalten werden.
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§ 6
Kirchenordnung und Liturgie

Wie in den beiden evangelischen Kirchen bisher eine hier größere, dort geringere Verschiedenheit im Kultus, in der Liturgie und namentlich in der Verwaltung der heiligen Sakramente stattfand, so ist in der vereinten evangelisch-protestantischen Kirche die Gleichförmigkeit im Kultus durch die sub Lit. A beigefügte Kirchen-Ordnung hergestellt, welcher sowie allen folgenden Beilagen dieser Akte die Generalsynode volle Kraft beilegt, als ob ihr Inhalt wörtlich hier eingerückt wäre. In Gemäßheit desselben findet bei der Feier des heiligen Abendmahls in der vereinten Kirche folgender Ritus statt:
( 1 ) Es wird weißes in längliche Stücke geschnittenes Brot von dem Geistlichen gebrochen und den Kommunikanten in die Hand gereicht, so auch der Kelch. Nach diesem Ritus wird das heilige Abendmahl erstmals an dem Tage der Vereinigung und an den bestimmten Sonn- und Festtagen in allen evangelischen Kirchen des Landes gehalten, wobei übrigens mit möglichster Schonung der Gewissen nach Maßgabe der Kirchenordnung zu verfahren ist.
( 2 ) Bei der Darreichung des Brotes werden folgende Worte gebraucht:
Christus spricht: »Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das tut zu meinem Gedächtnis.« Luk. 22, 19.
Bei der Darreichung des Kelchs werden folgende Worte gebraucht:
Christus spricht: »Nehmet hin und trinket, das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird.« Luk. 22, 20.
Wie auch die übrigen sämtlichen Kirchenhandlungen auf gleiche Weise in der gesamten evangelisch-protestantischen Landeskirche einzurichten seien, das spricht die Kirchenordnung aus; für jetzt werden die von der Generalsynode genehmigten Formularien, das heilige Abendmahl zu halten, in der Kirche eingeführt und diese in der Folge der von der evangelischen Ministerialsektion vorgelegten binnen einem Jahre sorgsam zu prüfenden und unter Teilnahme der Geistlichen des Landes zustande zu bringenden Agende einverleibt.
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§ 7

Da sich in den beiden getrennten Kirchen in dem Laufe der Zeiten nach der äußeren Lage, in welcher sie sich befanden, und dem innern Geiste, der in ihnen wirkte, ganz voneinander abweichende Verfassungen ausgebildet haben, so haben Seine Königliche Hoheit unser Durchlauchtigster Großherzog mittels Reskripts vom 23. Juli d.J. Nr. 1693 gnädigst geruht, der vereinten evangelischen Landeskirche eine ihrer Stellung entsprechende Verfassung huldreichst zu geben und durch solche ihre verschiedenen engen und weitern Verhältnisse des kirchlichen Verbandes zu ordnen, welche Kirchenverfassung zur Grundlage dieser Union gedient hat und hier in beglaubigter Abschrift beigelegt wird sub Lit. B.
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§ 8 Kirchen-Gemeinde-Ordnung

Auch in der Anordnung des Kirchengemeinde-Wesens und der Art und Weise, wie die Geistlichen und Kirchenvorstände das wichtige Amt der Kirchenzucht übten, waren die beiden evangelischen Gemeinden verschieden.
Die unter Lit. C anliegende Kirchengemeinde-Ordnung enthält die Grundsätze einer im reinen evangelischen Geiste aufgefaßten Sittenleitung zur Erhaltung und Förderung christlicher Ordnung in der Kirche mit steter Hinweisung auf den Geist, aus welchem ihre Vorschriften geflossen sind und in welchem sie gehandhabt werden sollen.
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§ 9

Da endlich auch in den Vermögensverhältnissen beider evangelischen Kirchen in dem Großherzogtum Baden eine große Verschiedenheit stattfand, so hat die Generalsynode in dem sub Lit. D beigefügten Entwurfe über die Behandlung des allgemeinen und Lokalvermögens für Kirchen, Schulen und milde Stiftungen die Grundsätze ausgesprochen, welche deshalb allenthalben in Anwendung zu bringen sind.
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§ 10

Solcherweise einig in sich und mit allen Christen in der Welt erfreut sich die evangelisch-protestantische Kirche im Großherzogtum Baden der Glaubens- und Gewissensfreiheit, nach welcher die großen Vorfahren strebten und worin sie sich entzweiten.
Die Eifersucht, womit sie und ihre Nachkommen sich einander gegenüber sahen, ist erloschen, die Ängstlichkeit, mit der sie ihre Unterscheidungslehren bewachten, verschwunden; die Freiheit des Glaubens ist erreicht und mit ihr die Freiheit im Glauben und die durch kein Mißtrauen fortan zu störende Freudigkeit in einem Gott gefälligen Leben.