.

Gesetz
zur Ausführung des § 66 der Verfassung über
Aufhebung der Familien- und Stammgüter,
der Fideikommisse des vormaligen Großherzoglichen
Hauses und des Haus-Vermögens der standesherrlichen Familien
(Stammgüteraufhebungsgesetz)

Vom 18. Juli 1923

(Bad. GVBl. S. 233)

#

(Auszug)

#

4. Gemeinnützige Anstalten

##

§ 22

( 1 ) Lasten, welche die Stammgutsinhaber zugunsten der Unterhaltung von Schulen, Armenhäusern, Waisenhäusern, Pfründnerhäusern, Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, oder zugunsten von Religionsgesellschaften und ihren Einrichtungen zu erfüllen haben, sind auf Verlangen des einzelnen Berechtigten sicherzustellen.
( 2 ) Die Sicherstellung erfolgt durch Eintragung von dinglichen Rechten auf die Grundstücke der Pflichtigen und zwar
  1. bei Ansprüchen, welche grundsätzlich auf bestimmte Geldleistungen gerichtet sind, durch Eintragungen einer Sicherungshypothek oder Rentenschuld;
  2. bei Ansprüchen, welche in wandelbaren wiederkehrenden Geldleistungen oder grundsätzlich in Sachleistungen bestehen, durch Eintragung von Reallasten, kraft welcher der jeweilige Grundstückseigentümer die wiederkehrende Leistung unmittelbar oder mittelbar aus dem Grundstück zu bewirken hat.
( 3 ) Die dingliche Sicherheit oder die zu sichernde Geldforderung sind derart zu bemessen, daß der durchschnittliche Reinertrag der Sicherungsgrundstücke oder der Zinsreinertrag der zu sichernden Geldsumme den durchschnittlichen laufenden Anspruch sichert. Bei Ansprüchen auf selten wiederkehrende Leistungen kann auch der gemeine Wert des Sicherungsgrundstücks mit in Anschlag gebracht werden.
( 4 ) Sind mehrere dingliche Sicherheiten im Sinne dieses Paragraphen auf demselben Grundstück eingetragen, so haben sie unter sich im Zweifel Anspruch auf gleichen Rang. Besteht die dingliche Sicherheit an mehreren Grundstücken, so haftet im Zweifel das Grundstück für den ganzen Anspruch.
( 5 ) Die Sicherstellung erfolgt durch Vereinbarung der Beteiligten. Kommt eine solche binnen zwei Jahren, nachdem der einzelne Berechtigte dem Pflichtigen das Verlangen nach Sicherstellung schriftlich bekanntgegeben hat, nicht zustande, so entscheidet bei Streitigkeiten über Art und Umfang der Sicherstellung die Stammgutsbehörde. Die Eintragung im Grundbuch erfolgt auf Ersuchen der Stammgutsbehörde.
( 6 ) Darüber, ob und in welcher Art und in welchem Umfang Lasten mit dem Stammgut zusammenhängen, entscheiden die bürgerlichen Gerichte.
( 7 ) Die Ablösung der in Absatz 1 aufgeführten Verpflichtungen kann durch Vertrag der Beteiligten erfolgen; im übrigen bleibt sie einem darüber zu erlassenden Gesetz vorbehalten.
#

5. Stiftungen

##

§ 23

( 1 ) Stiftungen, die mit dem Stammgutsvermögen verbunden sind, bestehen weiter. Leistungen, welche zugunsten von Stiftungen oder zugunsten bestimmter Zwecke dem Stammgutsinhaber als Rechtsverpflichtung oblagen, sind weiter zu gewähren. Das gleiche gilt von solchen Leistungen, welche ohne Bestehen einer Rechtsverpflichtung, von ihm seit mindestens fünfzig Jahren geleistet wurden.
( 2 ) § 22 findet entsprechend Anwendung.
#

6. Stammgutsbehörde

##

§ 24

( 1 ) Stammgutsbehörde im Sinne dieses Gesetzes ist das Oberlandesgericht. Die Entscheidungen erfolgen durch einen Senat nach den Vorschriften über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; sie sind unanfechtbar; der Senat kann auf Antrag, der von Amts wegen eine Entscheidung wegen nachträglicher Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder auf Grund solcher neuer Tatsachen abändern oder aufheben, deren früheres Vorbringen dem Gesuchsteller ohne sein Verschulden nicht möglich war. Die einmal entstandene Familienstiftung kann die Stammgutsbehörde aber nicht mehr nachträglich beseitigen.
( 2 ) Die Entscheidung der Stammgutsbehörde gilt als Vollstreckungstitel im Sinne des § 801 der Zivilprozeßordnung.